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Kunst für Kenner - Landschaften

Directmedia • Berlin 2004  Digitale Bibliothek Sonderband Einführung  

Die Landschaftsmalerei ist in Europa seit dem 16. Jahrhundert eine eigenständige Bildgattung. Aus dieser Zeit stammen auch der Begriff (dt. »Landschaft«, ital. »paese«, später »paesaggio«) und erste theoretische Diskurse, etwa von Giovanni Paolo Lomazzo (»Trattato nell'arte della pittura«, Mailand 1584), in denen bereits zwischen verschiedenen Kategorien der Landschaft unterschieden wird. Lomazzo nennt »privilegierte Orte«, ausgezeichnet durch reiche Architektur, »wilde Landschaften« mit Felsen und Wäldern fern jeder menschlicher Zivilisation, sowie »Orte der Freude«, Gärten mit Springbrunnen und Blumenfeldern. Diese Vorstellung ist noch tief verwurzelt in einer mittelalterlichen Naturauffassung. Orte ausserhalb der Städte und menschlichen Lebens waren gefährlich, die Natur an sich konnte in der religiösen Malerei kein Bildgegenstand sein. Noble Architekturen jedoch zeichneten die geordnete Welt aus. Das Paradies hingegen stellte man sich, ausgehend vom Garten Eden, als landschaftliche Schatzkammer vor. Gärten reicher Lustschlösser, die es seit dem 15. Jahrhundert gab, waren kleine Abbilder göttlicher Ordnung und paradiesischer Naturschönheit. Der Begriff »Places of Delight« bezeichnet bis heute die paradiesischen Landschaftsszenen des 16. Jahrhunderts, die in Italien entstanden und besonders bei englischen Sammlern des 18. und 19. Jahrhunderts äusserst beliebt waren.

    Sowohl die mittelalterlichen, als auch die Landschaftsdarstellungen des 16. Jahrhunderts unterschieden sich jedoch in einem wesentlichen Punkt von der heutigen Auffassung eines Landschaftsbildes oder auch einer literarischen Landschaftsschilderung: Die Natur, so ausgiebig sie auch beschrieben sein mag, ist auf Gemälden stets Kulisse einer historischen, religiösen oder mythologischen Szene, die sich in ihr abspielt. Reine Naturdarstellungen ohne menschliche Präsenz existieren zwar schon bei Albrecht Dürer als Skizzen, Zeichnungen oder Aquarelle. Thema eines grossen Gemäldes werden sie erst im 17. Jahrhundert. Und auch dann ist die Landschaft immer auch Metapher für ein göttliches Prinzip, eine menschliche Charaktereigenschaft oder für ein Lebensbild. Zudem entstand das Bild zunächst im Atelier, das heisst: in der Phantasie des Malers, der bestenfalls aus dem gesehenen Formenreichtum der Natur schöpfte. Freiluftmalerei gab es vor dem 19. Jahrhundert nicht. Als Ordnungsprinzip ist die gemalte Landschaft auch sehr oft ein politisches Bild, in dem sich ein Auftraggeber widergespiegelt sehen möchte. Romantische Landschaftsbilder haben häufig das Verhältnis des Menschen zur Natur zum Inhalt. Und auch die »Seelenlandschaften« der Zeit um 1900 möchten durch die Wiedergabe der Natur eine menschliche Emotion ausdrücken. Bei der Beschäftigung mit Landschaftsmalerei muss daher stets bedacht werden, dass wertneutrale oder »realistische« Darstellungen zu jeder Zeit ausgeschlossen waren. Jedem Landschaftsgemälde liegt eine bestimmte darstellerische Absicht zugrunde, die immer aufs Neue zu rekonstruieren ist.

    Dabei darf eine Grundvoraussetzung der Landschaftsmalerei nicht vergessen werden: Es handelt sich immer um Bilder, die in einem intellektuellen, meist städtischen Zusammenhang entstanden. Die zivilisatorisch bedingte Entfremdung des Menschen von der Natur ist ebenso Voraussetzung wie das erwachende Interesse für die Umwelt infolge einer Lockerung der religiösen Denkstrukturen um 1500. Für die einfache Landbevölkerung, die mit den Launen der Natur leben musste, wurden keine Landschaften gemalt. Auch wenn häufig Bauern oder Schäfer die Bilder bevölkern, kann davon ausgegangen werden, dass Vertreter dieser Bevölkerungsgruppen, zumindest bis ins späte 18. Jahrhundert, solche Bilder niemals zu sehen bekamen. Ja, sie dürften auch wenig mit ihnen anzufangen gewusst haben. Landschaftsmalerei ist lange Zeit vielleicht die elitärste aller Kunstgattungen gewesen.  

Antike und Mittelalter  

In stark stilisierter Form finden Landschaftselemente wie Berge oder Bäume bereits im 4. Jahrtausend vor Christus Eingang in die Malerei (Mesopotamien). Die frühesten Darstellungen, die in die vorliegende Sammlung aufgenommen wurden, stammen allerdings aus dem 2. vorchristlichen Jahrhundert, als in griechischen und etwas später auch in römischen Privathäusern die Wände mit grossen, sehr naturnahen Darstellungen aus der Mythologie bemalt wurden. In der Zeit gab es auch namentlich bekannte Maler von Theaterdekorationen, deren Kompositionen die privaten Aufträge beeinflusst haben.

    Ein Beispiel ist die um 125 v. Chr. entstandene »Landschaft zur Odyssee«, die ein römischer Maler nach einem griechischen Original anfertigte (Rom, Vatikan, Biblioteca Apostolica). Es handelt sich um eine Bühnenmalerei, ein Arrangement aus Felsen, Küste und Meer mit abfahrbereiten Schiffen, in der sich eine Szene aus dem Versepos des griechischen Dichters Homer (2. Hälfte 8. Jh. v. Chr.) abspielt. Trotz oder gerade wegen ihrer Funktion als Kulisse ist die Landschaft relativ naturgetreu wiedergegeben. Homers episodenhafte Schilderung der zehnjährigen Rückreise des Odysseus vom Trojanischen Krieg ist auch eine Beschreibung von Natur und Lebewesen, die als fremd und eroberungswürdig betrachtet wurden.

    Neben der Funktion als Bühnenmalerei hatten die antiken Naturdarstellungen auch eine gewisse Selbständigkeit als schäferliche oder »pastorale« Landschaft. Das Motiv der idealen Landschaft, die von friedlichen Schäfern bevölkert wird und einen »Urzustand« menschlicher Integration in die Natur meint, war im 3. Jahrhundert v. Chr. vom griechischen Dichter Theokrit (»Idyllen«) eingeführt worden. Der »liebliche Ort« (locus amoenus) wurde als heiliger Platz, an dem Natur und von Menschen geschaffene Altäre nebeneinander stehen, zum Hauptthema der Landschaftsmalerei. Ein solches sakro-idyllisches Bild, etwa 10–20 n. Chr., schmückte einst die Wand einer Villa in Boscotrecase bei Pompeji (Neapel, Galleria Nazionale di Capodimonte). Das Fresko des pompejanischen Malers zeigt eine »Landschaft mit heiligem Baum«, der seine Blätter über einen alten Altar breitet, umgeben von Hirten und Männern, die Votivgaben bringen, im Hintergrund Architekturversatzstücke. Solche Darstellungen, die die Natur als Quelle sinnlicher Schönheit zeigen, sollten von grosser Bedeutung für die italienische Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts werden. Neben der religiösen Bedeutung preisen sie vor allem das einfache Landleben, in dem Mensch und Natur in Einklang stehen. Gerade dieser Aspekt, von Virgil und Ovid im ersten vorchristlichen Jahrhundert immer wieder literarisch verarbeitet, war für die urbane Gesellschaft seit dem 18. Jahrhundert eine Hauptmotivation, sich für Natur und Landschaftmalerei zu interessieren.

    Nach der Vorstellung des christlichen Mittelalters wurde, vereinfacht gesagt, die äussere Welt und mit ihr die Natur nicht mehr positiv als Quelle des Glücks gesehen, sondern als Spiegel geistiger Wahrheiten. Die Erde war ein Exil, von dessen Früchten man sich in harter Arbeit ernähren musste, seit Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben worden waren. Die Naturauffassung änderte sich radikal, Darstellungen verschwanden fast vollständig. Flüsse, Berge und Bäume wurden in äusserst abstrakter Form als Hintergrundsangaben in Heiligenszenen wiedergegeben. Die frühesten Landschaftsbilder, die über solche Andeutungen hinausgehen und zu Trägern von Aussagen werden, stammen aus dem 14. Jahrhundert. Sie zeigen bezeichnender Weise die Monate mit den jeweiligen Arbeiten, die auf den Feldern zu verrichten waren (französische Buchmalerei). Landschaften wurden auf den saisonalen Effekt (Jahreszeiten) reduziert. Ausserdem wurden nun im höfischen Bereich, vor allem in Frankreich, Jagdszenen und Ansichten von Schlössern mit umgebender Landschaft beliebt. In Siena malte Ambrogio Lorenzetti um 1338/40 die »Auswirkungen der guten Regierung auf dem Land« an die Wand des Hauptsaales des Rathauses (Palazzo Publico) – das Fresko, das als erste nachantike Landschaftsdarstellung im modernen Sinne gilt.

    Im 15. Jahrhundert begann der einschneidende literarische und künstlerische Prozess der Beschäftigung mit der Natur in ihrem äusseren Erscheinungsbild, der ein wesentlicher Bestandteil der von uns als »Renaissance« bezeichneten Epoche darstellt. Als ein wichtiger literarischer Vorläufer eines positiven Verhältnisses zur Natur wird Fancesco Petrarca angesehen. Der um die Mitte des 14. Jahhunderts am Papsthof in Avignon weilende Dichter gab eine ausführliche Beschreibung der Besteigung des Mont Ventoux wieder, die allerdings noch immer weitgehend von einem symbolischen Naturverständnis zeugt. Altarretabel und Heiligenbilder zeigten nun ausgiebige Landschaften im Hintergrund. Die niederländischen Maler Jan und Hubert van Eyck, sowie Hugo van der Goes und Dieric Bouts gaben Pflanzen und Gestein in brillanten Farben und mit grossartigen Effekten wieder. Sie gelten als Wiederentdecker der Landschaft und beeinflussten die Malerei des gesamten Abendlandes, einschliesslich Italiens. Topographisch genaue Beobachtungen und die Wiedergabe von konkreten Landstrichen und lokalen Besonderheiten beginnen ebenfalls im 15. Jahrhundert. Ein wichtiges Bild ist der »Wunderbare Fischzug« des Konrad Witz (Genf, Museum für Kunst und Geschichte) von 1444, das Pfahlbauten im Genfer See zeigt. Doch sind diese Bilder lediglich Vorläufer der Landschaftsdarstellungen des 16. Jahrhunderts.  

Landschaftsmalerei im 16. Jahrhundert  

Bedeutende Impulse für die Landschaftsmalerei der frühen Neuzeit gingen von Venedig aus. Bereits in den 1450er und 1460er Jahre hatte dort Giovanni Bellini Heiligenfiguren in felsenreiche, lichtdurchflutete und stimmungsvolle Täler placiert; Apostel, Märtyrer oder Einsiedler waren Teil der Natur geworden. Der einfache, klare Aufbau dieser in das helle und heitere Licht Venedigs getauchten Landschaften wurde eine Generation später von Cima da Conegliano perfektioniert: Seine »Küstenlandschaft mit zwei Kämpfenden« (Berlin, Gemäldegalerie), um 1510 entstanden, ist ein hervorragendes Beispiel für diese Malerei. Die Tafel diente sehr wahrscheinlich als Einsatzbild für ein Möbelstück, möglicherweise für eine Truhe (Cassone). Solche schmückenden Funktionen waren für Landschaftbilder besonders um 1500 weit verbreitet. Die zweifellos bekanntesten venezianischen »paesaggi« stammen von Giorgione und Tizian. Weltberühmt ist das um 1507/08 entstandene, rätselhafte Gemälde »Das Gewitter« von Giorgione  (Venedig, Galleria dell'Accademia). Es zeigt ein pastorales Idyll mit Schäfer und unbekleideter Frau, die ihrem Kind die Brust reicht. Beide Figuren sind nur scheinbar harmonisch in die mit Ruinen versehene Landschaft eingefügt. Im Hintergrund ist eine intakte Stadtarchitektur erkennbar, über die ein Gewitter mit hellem Blitz heraufzieht. Die Unruhe des Himmels und der Stadttorsilhouette dringt bis in das schäferliche Idyll vor: Der Blick der Mutter ist ängstlich, der stehende Schäfer ist halb verschattet und schaut nicht ohne Besorgnis zu seiner Begleiterin. Welche der unterschiedlichen Interpretationen, die das Bild in den vergangenen Jahrhunderten erfahren hat, auch immer zutreffen sollte – Giorgiones »Gewitter« ist das eindrückliche Zeugnis einer einfühlsamen Naturbeobachtung, die erstmals in der Landschaft einen Spiegel menschlicher Empfindungen sieht.

    Als Albrecht Dürer 1495 zum ersten Mal nach Italien reiste, studierte er eingehend die venezianische Malerei und versuchte sie mit ihren eigenen Mitteln zu übertreffen. Besonders die stimmungsvolle Landschaftsmalerei der Stadtrepublik beeinflusste den Nürnberger Maler nachhaltig. Mehrere Zeichnungen und Bilder entstanden unter diesem Eindruck, so auch das Aquarell »Weiher im Walde« von 1495 (London, British Museum). Dürer seinerseits war wiederum ungemein einflussreich auf die sich im frühen 16. Jahrhundert in Süddeutschland etablierende Landschaftsmalerei, besonders der sog. Donauschule. Wichtigste Vertreter dieser Maler, die nie eine Gruppe bildeten, sondern von der Kunstgeschiche unter diesem Namen subsummiert wurden, sind der spätere Wittenberger Hofmaler Lukas Cranach d. Ä., Albrecht Altdorfer und Wolfgang Huber. Sie liessen sich von Motiven des Donautals zu teilweise phantastischen Naturgebilden inspirieren, in denen biblische Ereignisse wie beiläufig stattfanden. Sie schufen aber auch topographisch nachvollziehbare Ansichten, wie Altdorfer in seiner »Donaulandschaft bei Regensburg« von 1528 (München, Alte Pianakothek). Viele der Bilder Altdorfers wurden in Kupferstiche umgesetzt, die Donau wurde auch als Herrschaftsgebiet darstellungswürdig.

    Zur selben Zeit wurden in Flandern die Grundlagen für die grosse Entwicklung der niederländischen Landschaftsmalerei gelegt. Einer der bedeutendsten Landschaftsmaler überhaupt ist der Antwerpener Joachim Patinir. Auf ihn geht das Thema der sog. Weltlandschaft zurück, in der die »Wanderschaft des Lebens« stattfindet. Eines seiner wichtigsten Bilder ist die um 1520 gemalte »Flucht nach Ägypten« (Antwerpen, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten). Patinirs Gemälde entstanden für eine hochgebildete Auftraggeberschaft, in deren Kreisen auch die zeitgenössischen Schriften über die »Pilgerfahrt des Lebens«, etwa vom Mechelener Karmelitermönch Jan Pascha, gelesen wurden. Der Wanderer (homo viator) befindet sich ständig auf der Reise, sei es auf konkreter Pilgerfahrt oder bei der Kontemplation vor einem Andachtsbild, wie die »Flucht nach Ägypten«. Dabei stellt ihn die Natur mit ihrer unüberschaubaren Landschaft vor immer neue Entscheidungen, vor Weggabelungen oder Herausforderungen. Patinirs »Überfahrt in die Unterwelt« (Madrid, Museo del Prado) zeigt eine solche Situation, angefüllt mit Allegorien der Entscheidung. Patinir verbindet Themen der antiken Mythologie (elysische Landschaft, Unterwelt mit dem Wachhund Zerberus) mit christlichen Inhalten (Paradies, Engel und Hölle). Die kleine Seele im Boot des Charon wird nicht von diesem über den Styx, dem Fluss der Unterwelt der antiken Mythologie, geleitet. Vielmehr befindet sie sich am Scheideweg zwischen Tugend und Laster. Sie scheint sich der rechten Seite, der Hölle, zuzuwenden und lässt die weite Landschaft mit Engeln und einem gläsernen Gebäude hinter sich. Das Panorama mit weitem Horizont und symbolischer Natur steht im Vordergrund, es geht um das Aufzeigen des Gegensatzes von friedvoller und zerstörter Natur.

    Noch weiter geht Pieter Brueghel d. Ä. in seiner »Landschaft mit dem Sturz des Ikarus«, um 1560  (Brüssel, Musée Royaux des Beaux Arts). Die Szene aus der antiken Mythologie findet fast unbemerkt im winzigen Massstab statt, sie ist äusserer Anlass des Bildes. Die Natur mit den Bauern ist jedoch das eigentliche Hauptthema.  

Römische Landschaften im 17. Jahrhundert  

Im 17. Jahrhundert hatten sich verschiedene Typen des Landschaftsbildes herausgebildet, die sich klar voneinander abgrenzen lassen. Die mit Abstand wichtigsten Zentren waren nun die nördlichen Niederlande sowie Rom. Nach Rom zogen zahlreiche Maler aus Deutschland, den Niederlanden, Frankreich oder Böhmen, einerseits angezogen von den antiken Ruinen, andererseits auch von handfesten wirtschaftlichen Vorteilen: In Rom hatte sich seit dem späten 16. Jahrhundert ein umfangreicher Tourismus etabliert, dessen Boom bis zum späten 19. Jahrhundert anhalten sollte. Kunstinteressierte Adlige und Künstler aus ganz Europa hielten sich längere Zeit hier auf, zum Studium der Antike und der neuen Künste. Auf diese Zeit geht die berühmte englische Grand Tour durch den Kontinent zurück. Da die unterschiedlichen politischen Mächte, vor allem Frankreich, im Laufe des 17. Jahrhunderts einen immer grösseren Einfluss auf den Papst ausübten, hielt sich stets eine sehr grosse Fraktion ausländischer Diplomaten und Advokaten in Rom auf. Diese umgaben sich, sei es aus politischem Kalkül oder wirklichem Kunstinteresse, demonstrativ mit Bildwerken und betätigten sich als Mäzene für junge Künstler. In Frankreich, den Niederlanden und den zahlreichen deutschen Kleinstaaten, bald auch in Schweden und Dänemark, wurden mehrjährige Romstipendien an Bildhauer, Architekten und Maler vergeben, die dort ihre Fähigkeiten durch das Studium der Antike schärften und vor allem für in Rom weilende Landsleute arbeiteten. Die Academié Française, die die bestdotierten Romstipendien vergab, wurde 1635 gegründet. Viele erfolgreiche Künstler sollten Rom nie wieder verlassen. Es darf also nicht überraschen, dass die wichtigsten Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts zwar in Rom lebten und einen bestimmten Typ der römischen »paesaggi« ausbildeten, aber eigentlich Franzosen waren: Nicolas Poussin, Gaspard Dughet und Claude Lorrain.

    Sie konnten aber auf einer bedeutenden, um 1600 tätigen Generation von Malern aufbauen, die »ideale« Landschaftsprospekte mit mythologischen Gestalten schufen. Wichtige Vertreter sind Annibale Carracci sowie der aus Frankfurt am Main stammende Adam Elsheimer, dessen »Landschaft mit badender Nymphe« (Berlin, Gemäldegalerie) ein gutes Beispiel darstellt. Elsheimer lebte ab 1600 bis zu seinem Tod 1610 in Rom, schloss sich der niederländischen Malerkolonie um den jungen Rubens an und malte ab 1604 hoch bedeutende und geschätzte Ideallandschaften mit Motiven aus der Campagna, der Gegend um Rom. Die ruhigen, lyrischen Stimmungen seiner Landschaften und die klaren Kompositionen waren vorbildlich für die in Rom tätigen Maler des 17. Jahrhunderts.

    Diese haben bis heute den grössten Ruf erlangt. Nach wie vor inspiriert von der Campagna mit ihren zahlreichen Resten antiker Baukunst und einem speziellen Licht, schufen Poussin und Dughet sog. »heroische Landschaften«. Einzelne real existierende Partien werden ausgewählt und zu einem Ensemble zusammengestellt. Eine kulissenhafte Naturkomposition im Vordergrund sowie ein Fernblick in die Campagna sind das Grundgerüst dieser Bilder. Angefüllt werden sie mit einer »heroischen Staffage«, das heisst mit Ruinen klassischer Architekur und Gestalten aus der antiken Mythologie. Poussins Bilder gehen aber in ihrer Aussage weit über die Generation um 1600 hinaus: Unter dem Gewand der auf den ersten Blick rein stimmungsbetonenden Kompositionen verbergen sich oft elementarste Inhalte und Aussagen über menschliche Konflikte.

    Ein extremes Beispiel ist Poussins berühmte »Landschaft mit Pyramus und Thisbe« von 1651  (Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut). Der tragische Liebestod aus Ovids »Metamorphosen« war ein Thema, das im Rom der Mitte des 17. Jahrhunderts durch populäre Dramen sehr präsent war. Im Vordergrund des Bildes entdeckt Thisbe ihren sterbenden Liebhaber, der sich infolge der irrtümlichen Annahme ihres Todes in sein Schwert gestürzt hatte. Die beiden hatten vor ihren Vätern fliehen wollen und sich des nachts an einem Brunnen ausserhalb der Stadt verabredet. Pyramus hatte sich verspätet, die wartende Thisbe war von einer Löwin überrascht worden, die nach ausgiebiger Mahlzeit ihren Durst an dem Brunnen stillen wollte, und floh, wobei sie ihr Tuch verlor. Die satte Löwin trat auf dieses Tuch und befleckte es mit Blut, weshalb der endlich herbeieilende Pyramus getäuscht wurde und den vermeintlichen, durch seine Verspätung mitverschuldeten Tod der Geliebten beklagend den Freitod wählte. In einer mittleren Bildebene ist der Überfall der Löwin auf eine Herde dargestellt. Das gesamte Bild wird jedoch von einer dramatischen Landschaft beherrscht, die ein äusserst vielschichtiges Netz symbolischer Anspielungen enthält, die um das Thema des Liebesunglücks, der tragischen Wende und der Verblendung durch Leidenschaften kreisen. Neben den Launen der Fortuna ist etwa die Person des Gottes Bacchus durch etliche Hinweise in der Landschaft präsent. Trotz der durch den aufziehenden Sturm wild bewegten Natur ist der See in der Mitte des Bildes, an dessen Gestaden links oben ein Bacchustempel steht, auffällig spiegelglatt. Es handelt sich um eine Anspielung auf den sog. Bacchusspiegel, in dem sich die gesamte Welt in ihrer Vielfalt zeigt. Zudem verweisen die beiden Blitze am Himmel, von denen der deutlich kleinere in eine Felsenburg einschlägt, auf die erste Geburt des Bacchus: Jupiter hatte seiner Geliebten Semele, die bereits ein Kind (Bacchus) von ihm erwartete, infolge einer komplizierten Intrige in Form eines Blitzes beiwohnen müssen, wie er es mit seiner göttlichen Gattin Juno tat, was den Tod Semeles bedeutete. Um sie zu schonen, bediente sich Jupiter eines kleinen Blitzes, der dennoch den Tod Semeles und die Frühgeburt des Bacchus hervorrief. Diese Szene wurde in zeitgenössischen Stichen in einer Burg dargestellt, auf die Poussin anspielt. Pyramus und Thisbe sind auch Opfer des Bacchus, der als antiker Gott nicht nur für den Wein steht, sondern die irdischen Leidenschaften in ihrer Komplexität verkörpert, also auch den rasenden Schmerz angesichts des vermeintlichen Todes der Geliebten. Die Natur kann in Poussins Gemälde als Abbild der aufgewühlten menschlichen Seele gelesen werden.

    Ähnlich vielschichtige Anspielungen liegen den meisten »heroischen Landschaften« zugrunde. Auch Claude Lorrain operierte mit mythologischen Inhalten. Seine Bilder, etwa der »Hafen bei Sonnenuntergang« von 1649 (St. Petersburg, Eremitage), sind jedoch atmosphärischer als bei Poussin, die Landschaften haben den Charakter von arkadischen Idyllen. Hinsichtlich der Aspekte einer »idealen« Landschaft zeigt er sich stärker der Carracci-Generation verpflichtet als Poussin. Einzelne Szenen sind genrehaft, alltäglich und wie beiläufig geschildert. Für Lorrains Malweise ist infolge des intensiven, stimmungsvollen, alle Elemente der Natur durchdringenden Lichtes der Begriff »Luminarismus« geprägt worden. Er sollte besonders für die Naturmalerei des 18. Jahrhunderts, des Rokoko, von grosser Bedeutung sein.  

Niederländische Fachmaler des 17. Jahrhunderts  

Zu keiner anderen Zeit und in keiner anderen Region hat sich die Landschaftsmalerei in einem derart breiten Spektrum entfaltet und so klare Kategorien entwickelt, wie im spanisch regierten Flandern und den protestantischen nördlichen Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Die grossen Zentren waren Antwerpen und Brüssel im katholischen Süden, Amsterdam und mit Abstand Leiden, Rotterdam, Haarlem und Den Haag im Norden. Günstige wirtschaftliche Bedingungen und eine wachsende Nachfrage nach profanen Bildern für den privaten Bereich waren Voraussetzung für einen riesigen Kunstmarkt in diesen Städten, dessen Ausmasse bis heute unübertroffen sind. In streng organisierten Künstlergilden (Lukasgilden) waren unzählige Künstler in unterschiedlichen »Fächern« tätig: Historienbilder, Stilleben, Genrebilder, Naturstücke. Eine herausragende Stellung nahmen Landschaften ein, die ihrerseits wieder in spezielle Fächer unterteilt waren: topographische Bilder, Fels- und Gebirgslandschaften, Waldlandschaften, Seestücke, Jahreszeiten- und Paradieslandschaften. Erstaunlich ist bis heute die trotz der gewaltigen Quantität der Bilder durchweg hohe Qualität. Dennoch ragen einzelne Maler heraus. Im Folgenden sollen einige der wichtigsten Landschaftsfächer erwähnt werden.

    Einer der Fächer waren die sog. chorographischen Landschaften oder »Landschaftsporträts«, die eng mit der Entwicklung der Kartographie zusammenhingen. Es entstanden Panoramen, denen Vermessungen vorausgingen. Die Grenzen zur Stadtansicht sind dabei fliessend. Ein frühes Beispiel ist die 1593 entstandene »Ansicht von Linz« des aus Löwen im heutigen Belgien stammenden und später in Frankfurt tätigen Malers Lucas van Valckenborch (Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut). Der Maler arbeitete für den Erzherzog und späteren Kaiser Matthias von Österreich in Linz und malte eine topographisch ziemlich genaue Ansicht der oberösterreichischen Stadt und ihrer Umgebung. Der hohe Betrachterstandpunkt steht deutlich in der Tradition der Weltbilder Pieter Bruegels d. Ä. Der bekannteste Landschaftmaler des 17. Jahrhunderts ist der Haarlemer Jacob Issaksz. van Ruisdael. Sein gewaltiges Œuvre umfasst zahlreiche Wald-, Küsten- und Felsenlandschaften, die Spätphase (1655–82) aber auch gross angelegte Raumübersichten, wie der »Blick auf Haarlem«  (Amsterdam, Rijksmuseum). Ruisdael hat sich weit von der topographisch genauen Wiedergabe eines Lucas van Valckenborch entfernt. Intensive Stimmungsgwerte überwiegen. Sie werden durch eine bestimmte Lichtführung, Hell-dunkel-Kontraste, ein Verschwimmen der Farben am Horizont sowie nicht zuletzt durch einen strengen Bildaufbau erzielt. Ruisdaels Bildern seiner Heimat mit dem weiten, flachen Land, in dem die Türme der Stadtpfarrkirchen weit sichtbar aufragen, hat man im 19. Jahrhundert eine ähnlich identitätsstiftende Stellung zugemessen wie Fontanes Schilderungen der Mark Brandenburg.

    Niederländische Fels- und Berglandschaften entstanden natürlich nicht aus der Anschauung der unmittelbaren Umgebung. Phantastische Kompositionen, die jedoch stets von realen Begebenheiten ausgingen, überwiegen deshalb. Wichtige Vertreter waren die flämischen Maler Frederik van Valckenborch, Paul Bril, David Vinckboons und der Joost de Momper d. J. Vom letztgenannten Antwerpener Künstler stammt die »Landschaft mit weiter Fernsicht« aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts  (München, Alte Pinakothek). Die ungeheuer weit gefasste Szenerie wird von einer Reisegruppe durchmessen – eine Staffage, die Mompers Freund Jan Brueghel d. Ä. oft, und auch in diesem Bild, hinzufügte. Durch sie lassen sich erst die Dimensionen der aufwendig gemalten Landschaft durch ein menschliches Mass erfassen. Städte fehlen ebenso wie historische oder mythologische Ereignisse – ein in dieser Zeit nur in Flandern oder in den Dünenbildern der nördlichen Niederlande mögliche Inszenierung der Natur um ihrer selbst willen.

    Darstellungen von Waldpartien sind – mit Ausnahme der Seestücke – in fast jedem Landschaftsbild enthalten. Daneben waren aber auch in erster Linie in Flandern reine Waldlandschaften im frühen 17. Jahrhundert sehr beliebt. Ihre wichtigsten Vertreter waren Jan Brueghel d. Ä. und Gillis van Coninxloo. Aber auch die hoch geschätzten Tierbilder des Roelant Savery sind Waldstücke, wie die »Vögel in einer Landschaft« von 1622 (Brüssel, Musée Royaux des Beaux-Arts). Ein wichtiger Aspekt des Waldlandschaft ist der noch heute gut nachvollziehbare Umstand des Fehlens eines Himmels. Man fühlt sich beengt und orientierungslos im Wald, der weder heute noch vor 400 Jahren zum alltäglichen Erfahrungsbereich des Menschen zählte. Flämische Waldlbilder haben nichts mit dem »locus amoenus« der antiken Dichtung gemein, der die italienischen Waldlichtungen eines Carracci beeinflusste. Es überwiegt der Eindruck des Geheimnisvollen und Verborgenen, oft Wilden und Unheimlichen. Aber nicht immer ist der Wald ein Ort des Schreckens und der Gefahr, ausgehend etwa von Räuberbanden oder Raubtieren. Vielmehr herrscht häufig ein gewisser Entdecker- und Jagdgeist vor. Stets ist der Wald aber ein emotionsgeladener Raum, der mit einen einsamen Rezipienten rechnet, der seinen Empfindungen ausgesetzt und nicht durch ein Gespräch mit anderen Reisenden abgelenkt ist. Das Bild »Elias wird vom Raben genährt« von Gillis van Conixloo (Brüssel, Musée Royaux des Beaux-Arts) ist ein solches Stimmungsbild. Es versetzt die eigentlich im Orient stattfindende Geschichte des Propheten in die absolute Waldeinsamkeit Nordeuropas.

    Zuletzt sei noch auf einen der wichtigsten Landschaftstypen des 17. Jahrhunderts hingewiesen: das »Seestück«, dessen Grenzen zur »Marinemalerei«, also der detaillierten Darstellung von Schiffen, fliessend sind. Seine Entstehung hängt natürlich eng zusammen mit der seit dem späten 16. Jahrhundert enorm steigenden wirtschaftlichen und militärischen Bedeutung der niederländischen Flotte. Die grossen Städte schöpften ihren Reichtum in erster Linie aus den Kolonien sowie dem Seehandel. Schiffe auf hoher See, im Sturm, an der Küste, bei Flaute, im Hafen oder während eines Gefechtes zählten also durchaus zum alltäglichen Erfahrungsbereich der Auftraggeber und Maler. Als frühestes »autonomes« Seestück gilt der um 1600 gemalte, berühmte »Seesturm«, der unterschiedlichen Malern, zuletzt Joost de Momper d. J. zugeschrieben wurde (Wien, Kunsthistorisches Museum). Es handelt sich um ein »nautisches Sinnbild«, das nicht die realistische Wiedergabe bestimmter Schiffstypen zum Ziel hat, sondern die dramatische Umsetzung des Themas von »Glück« und »Hoffnung«. Ein Sturm zerwühlt das Meer, auf dem verschiedene Schiffe gegen unterschiedliche Gefahren ankämpfen. Im Vordergrund bildet das Kielwaser eines grossen Schiffes ein gefährlich grün aufleuchtendes Dreieck, in dem das Riesenmaul eines Ungeheuers sichtbar wird. Ein kleineres Schiff befindet sich in unmittelbarer Nähe des Tiers und somit in akuter Gefahr. Es hat alle Segel gehisst und versucht, durch das Abwerfen von Frachtgut sowohl seine Geschwindigkeit zu steigern, als auch das Monster abzulenken. Das Glück (fortuna), so die Aussage des Bildes, muss durch Opfer beruhigt werden. Im Hintergrund leuchtet ein kleiner Kirchturm am Horizont auf – die Verkörperung der fernen Hoffnung (spes). Das Bild vereinigt Elemente des Überlebenskampfes mit denen der Jagd nach dem Glück aus dem Bereich der Jagdmalerei zu einer moralisierenden Gesamtaussage.

    Julius Porcellis, vor allem in Rotterdam, aber auch in Haarlem und Antwerpen tätig, gilt als einer der wichtigsten Marinemaler. Seine Bilder prägen eine fast monochrome Farbpalette, alltägliche Szenerien sowie äusserst naturnahe Wiedergaben von unterschiedlichen Wetterzuständen. Darin unterschied er sich von der häufig zu übertrieben dramatischen Momentaufnahmen neigenden Malern seiner Zeit und sollte darin zukunftsweisend werden. Sein »Seestück«, um 1630 als Tondo ausgeführt (Rotterdam, Museum Boymans-van Beuningen), zeigt zwar eine bewegte See, dennoch herrscht eine ruhige Stimmung vor. Von drohender Gefahr kann nicht die Rede sein. Pocellis Schiffe zeigen sehr genau die zu seiner Zeit üblichen Schiffstypen. Ein überaus erfolgreicher Maler war Willem van de Velde d. J., der zunächst in Amsterdam und seit 1672 bis zu seinem Tod 1707 für den englischen König tätig war. Von ihm sind exakte Zeichnungen ganz bestimmter Schiffe erhalten, die in einer Schlacht erfolgreich oder für die englische Flotte von strategischer Bedeutung waren. Sein Gemälde »Der Salutschuss« (Berlin, Gemäldegalerie) zeigt, dass es van de Velde weniger um das Meer und den Himmel, sondern um die »Schiffsporträts« ging.  

18. Jahrhundert  

Was Neuerungen oder Veränderungen der Naturauffassung anbetrifft, nehmen Maler des 18. Jahrhunderts einen vergleichsweise geringen Stellenwert ein. Die Szenerien Watteaus und seiner Zeitgenossen gehen in ihrer Nachahmung der »idealen Landschaft« auf die Vorstellungen des 17. Jahrhunderts (Claude Lorrain) zurück. Die Partien werden luftiger und lichter. In Italien entstanden sog. Landschafts-Capriccios (ital. »Laune«), die wie zufällig arrangierte Naturstücke zeigen. Ein Beispiel ist die um 1750 gemalte »Landschaft  mit Reiter« des Venezianers Francesco Guardi  (Mailand, Pinacoteca Ambrosiana). Meist handelt es sich um Zeichnungen, die zu einer Serie gebunden sind und bestimmte Kompositionen variieren und eigentlich Bravourstücke des jeweiligen Künstlers darstellen. In der Zeit nimmt die Zahl der erhaltenen Reiseskizzenbücher zu, die freilich bereits lange üblich waren, in denen jedoch zuvor in erster Linie herausragende Orte aufgenommen worden waren. Weiterhin entstanden aber Bilder berühmter Gärten und italienischer Stätten in grosser Zahl, besonders in Kreisen der Romstipendiaten. Jean-Honoré Fragonard malte um 1762 den »Garten der Villa d'Este« in Tivoli bei Rom (London, Wallace Collection). Die farbliche, stimmungsvolle Brillanz und das atmosphärische Vibrieren verzichten auf klare Übersicht der Szenerie. Fragonards wohl arrangierte Partien waren von grosser Bedeutung für die spätere Freiluftmalerei des 19. Jahrhunderts.

    Einen anderen Aspekt der Landschaftmalerei des 18. Jahrhunderts betonen die dekorativen Bilder des Pariser Malers Hubert Robert. Seine um 1765 entstandene »Phantasielandschaft der Cestius-Pyramide auf einer Tempelruine« (Angers, Musée des Beaux-Arts) zeigt, worum es dem Maler ging: um die freie Zusammenstellung unterschiedlicher exotischer Bauwerke, deren Gestalt teilweise nur bruchstückhaft überliefert ist. Das Gemälde Huberts, von dem auch eine riesige Zahl Pariser Stadtansichten erhalten ist, dokumentiert aber auch das aufkeimende archäologische Interesse an den Bauten des Orients. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts erschienen verstärkt aufwendige Stichwerke mit Abbildungen antiker Bauwerke verschiedener Länder, die der Gartenkunst und Landschaftsmalerei gleichermassen Auftrieb gaben.  

Englische Landschaftsmalerei 1760–1840  

Die Erneuerung der Landschaftsmalerei, die in einer zunehmend subjektiven, momenthaften Wiedergabe realistischer Partien bestand und in der Malerei der Impressionisten gipfelte, ging von England aus. Neben dem Porträt wurde seit der Mitte des 18. Jahrhunderts die »landscape scenery« als die entscheidende Aufgabe der englischen Malerei entdeckt, die bis dahin so gut wie nicht existent war. Es gab zuvor nur sehr wenige englische Maler von Rang, die kunstbegeisterten Briten, meist Angehörige des Hochadels, sammelten Italiener und beschäftigten allenfalls Niederländer (Anthonius van Dyck, Willem van de Velde) und Deutsche (Hans Holbein). Dies änderte sich grundlegend in einer Zeit, in der englische Landschaftsgärten in ganz Europa den bis dahin vorbildhaften französischen Barockgarten in Theorie und Praxis verdrängten. Bedeutende Traktate über das Verhältnis des Menschen zur Natur und seine Sichtbarmachung in der Gartenkunst erschienen in England (Horace Walpole) und wurden seit der Jahrhundertmitte an aufgeklärten europäischen Fürstenhöfen gelesen und umgesetzt (Wörlitz). Die Wirkung der grossen englischen Landschaftsgemälde blieb jedoch zunächst auf die Insel beschränkt. Gerade deshalb erstaunt es noch heute, wie in einem so kurzen Zeitraum Bilder von solcher Aussagekraft entstehen konnten wie die der »Väter« der englischen Landschaftsmalerei: Joshua Reynolds, Richard Wilson und Thomas Gainsborough.

    Gainsboroughs »Harvest Wagon« von 1767 (»Der Erntewagen«, Birmingham, Barber Institute of Fine Arts) ist eine Inkunabel der englischen Landschaftsmalerei. In flüchtiger Malweise wird eine beiläufige, an sich unbedeutende Szene geschildert: Auf einem leeren Erntewagen, der von mehreren Pferden gezogen wird, befinden sich mehrere Landleute in ausgelassener Stimmung. Eine junge Frau benutzt die Radspeichen, um ebenfalls den Wagen zu erklimmen. Die Heugabel eines der Insassen sowie das rechts ins Bild tretende Feld verraten, dass man sich auf dem Weg zur Ernte befindet, oder gerade von dieser zurückkehrt. Der Wagen mit den Landleuten steht am Waldrand, an einem Ort des Übergangs in jeglicher Hinsicht. Im nächsten Moment ist man schon auf dem Feld, bei der Arbeit oder auf dem Hof. Der Flüchtigkeit des Augenblicks entsprechen die vom spätsommerlichen Wind durchwehten Blätter und die Menschen, die eine Aktionseinheit mit der Natur bilden.

Gerade der letzte Punkt ist die grosse Neuerung: Der Mensch ist nicht mehr als Staffage in eine ihm fremde Umgebung gestellt, er ist Teil des Rythmus und der Stimmung der Natur. Es ist nicht unwichtig, zu wissen, dass Gainsborough für seine zahlreichen ländlichen Bilder genaue soziale Studien betrieben hat und auch das Elend der Bauern schonungslos darstellte, die »dark side of the landscape«.

    Ein anderer Aspekt der englischen Malerei lässt sich anhand Thomas Girtins »Kirkstall Abbey, Yorkshire« (London, Vistoria and Albert Museum) von 1801 aufzeigen. Wohlgeformte Hügel umschliessen ein weites Tal, in dem die Ruine der mittelalterlichen Klosterkirche sichtbar wird. Spektakuläre Lichtverhältnisse inszenieren die hell aufleuchtenden Mauern wie in einer Vision. Das Interesse für vaterländische Altertümer und die Vergangenheit des eigenen Volkes und seiner Kultur sollte im 19. Jahrhundert ganz Europa erfassen, England war auch hierin ein Vorreiter. Die Atmosphäre ehrfürchtiger Erhabenheit wird von Girtin durch Korrektur der tatsächlichen Begebenheiten noch gesteigert – ein Prinzip, dessen sich wenige Jahre später Caspar David Friedrich ausgiebig bedienen sollte. Anders als der deutsche Romantiker durchbricht Girtin jedoch die Illusion, indem er Versatzstücke der realen Gegenwart, Bauern bei der Feldarbeit, einfügte.

Der grösste englische Landschaftsmaler ist zweifellos John Constable. In unzähligen Bildern porträtierte er die südenglische Küste, Landstriche und auch die Gegenden, in die ihn seine Reisen führten (Frankreich, Italien). Constable versuchte in Bildern von mitunter gewaltigen Ausmassen die intime Atmosphäre einer Landschaft mit erdnahen Farben in einer überwältigenden Dichte darzustellen. Was die Palette oder auch den oft bildbeherrschenden, bewegten Himmel anbetrifft, greift er auf die holländischen Seestücke (Porcellis) des 17. Jahrhunderts zurück. »Die Bucht von Weymouth« von 1816 (London, National Gallery) zeigt dies deutlich. Constables Küste ist jedoch menschenleer, keine Fischer holen ihre Netze ein, keine Schiffe löschen ihre Ladung. Es geht um den subjektiv erlebten Augenblick, in dem das Charakteristische der Weymouth Bay zur Anschauung gebracht wird. Noch weiter geht Richard Parkes Bonington in seinem Bild »Die normannische Küste« von 1823–24 (Paris, Musée du Louvre). Es handelt sich um ein Ölgemälde auf Leinwand, dennoch erweckt der Hauptprotagonist – der riesige Himmel – in seiner Zerrissenheit und Verwehtheit den Eindruck einer Aquarellstudie.

    Den nicht mehr zu überbietenden Höhe- und deshalb den Endpunkt dieser Entwicklung stellen die späten Werke des Joseph Mallord William Turner dar, zum Beispiel »Norham Castle bei Sonnenaufgang«, entstanden zwischen 1835–40 (London, Tate Gallery). Die Landschaft ist in ihrer Gegenständlichkeit vollständig aufgelöst in eine Farb- und Lichtexplosion. Jede Kontur der Schlossarchitektur tritt hinter den alles beherrschenden visuellen Effekt der strahlenden Sonne zurück. Turners Spätwerke gleichen eher vielfach gebrochenen Farbspektogrammen voll luminarer Trunkenheit als tatsächlichen Landschaften. 

Klassizistische und romantische Landschaftsmalerei in Deutschland und Skandinavien  

In Deutschland steht die Landschaftsmalerei der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz im Spannungsfeld verschiedener Kunsttheorien. Vereinfacht gesagt handelt es sich um die der Klassizisten, die nach antiken und italienischen Vorbildern des 17. Jahrhunderts »ideale Landschaften« bevorzugten, und der Romantiker, denen es bei der symbolreichen Darstellung der einheimischen Landschaft sehr oft um naturphilosophische Inhalte ging. Die 1805 von Joseph Anton Koch gemalte »Heroische Landschaft mit Regenbogen« (Karlsruhe, Kunsthalle) ist von diesem Konflikt gezeichnet. Koch lebte die meiste Zeit seines Lebens in Rom und schuf dort »heroische Landschaften«, die in ihrer Radikalität weit über die Konzeptionen des 17. Jahrhunderts hinausgingen: In den »synthetischen« Landschaften, die aus einer Addition von Anschauungen bestehen und von Koch auch theoretisch definiert wurden, sind menschliche Figuren nur noch Staffage. Jedes Naturelement ist bis zum Horizont in absoluter Klarheit wiedergegeben. Ein derartiger Rationalismus war von grossem Einfluss auf die Landschatsmalerei des gesamten 19. Jahrhunderts.

    Ein sehr wichtiger Maler ist der aus Cottbus stammende, früh verstorbene Carl Blechen, 1831–40 Professur für Landschaftsmalerei an der Berliner Akademie. Seine skizzenhafte Freilichtmalerei, die er sich während eines Italienaufenthaltes 1828/29 angeeignet hatte, sowie das Interesse für die neu entstehenden Industriebauten waren von nicht zu überschätzender Bedeutung für die Berliner Maler der nachfolgenden Generationen (Menzel, Corinth, Liebermann). In seinem um 1830 entstandenen »Walzwerk bei Eberswalde«  (Berlin, Neue Nationalgalerie) dokumentiert Blechen eine der frühesten metallverarbeitenden Stätten Preussens: die damals hochmoderne Industrieanlage am Finowkanal. Zahlreiche vor Ort entstandene, nüchterne Zeichnungen gingen dem Gemälde voraus, das besonders durch die Hinzufügung der Fischer im Vordergrund zu einer »idyllischen« Landschaft verklärt wurde. Durch die Untersicht ist die Industrieanlage zu einem romantischen Bestandteil der Natur geworden. Noch weiter geht Blechen in seinem Bild »Die Waldschlucht« von 1831 (Berlin, Alte Nationalgalerie). Er verwertet Skizzen, die anlässlich seiner 1829 unternommenen Reise von Neapel nach Amalfi entstanden sind. Auch hier hat Blechen eine exakte Zeichnung des Mühltals im Gemälde verklärt: Die zerklüfteten Felsen, die durch Wasserkraft angetriebene Fabrik mit rauchendem Schornstein, die Holzfäller und das sprudelnde und von Sonnenreflexen glänzende Wasser sind zu einer kontrastreichen Einheit verschmolzen.

    Caspar David Friedrichs Landschaften zählen zu den bekanntesten Bildern unserer Zeit, unüberschaubar sind die Monographien und Aufsätze zu seinem Werk. Die Faszination seiner mystischen Naturbilder ist ungebrochen. »Einsamer Baum« (Berlin, Alte Nationalgalerie), früher auch »Dorflandschaft bei Morgenbeleuchtung« oder »Harzlandschaft« genannt, entstand 1822, gemeinsam mit einem Abendbild (»Mondaufgang am Meer«, im selben Museum) als Tageszeiten-Diptychon. Das Auftragswerk für den Berliner Bankier J. H. Wagener verkörpert zwei gegensätzliche Lebensprinzipien: Das Morgenbild des »einsamen Baumes« eine Hinwendung zum irdischen Dasein, der »Mondaufgang am Meer« hingegen die Jenseitshoffnung. Beide Bilder operieren mit dem Prinzip der Unermesslichkeit, das sich in der Natur manifestiert. Die Dimensionen der weiten Ebene, in der der »einsame Baum« steht, wird durch den kleinen Kirchturm im Hintergrund vor den dunklen Bergen des nordböhmischen Jeschkengebirges sowie die im Schatten der Eiche grasenden Schafe deutlich. Der Baum überragt alle Ebenen, seine abgestorbene Spitze reicht bis zu den Wolken hinauf, die vor ihm zurückzuweichen scheinen. Er ist Sinnbild der erdverbundenen Lebenskraft und vereinigt alle Grundelemente: die Luft des Himmels, in den er hineinragt; das Erdental, das er beherrscht; das Wasser in Gestalt des Tümpels, an dessen Ufer er steht; sowie das Feuer, das sich als Morgenröte am Rand des Tümpels spiegelt.

    Erhabene Naturthemen verarbeitete auch Johan Christian Claussen Dahl, der als Vater der norwegischen Landschaftsmalerei gilt. Wie Friedrich in Dresden ausgebildet und zunächst in Deutschland tätig, entdeckte er auf mehreren Reisen die spektakuläre Landschaft seines Heimatlandes. Die Ansicht des »Lyshornet bei Bergen« von 1836 (Oslo, Nasjonalgalleriet) etwa zeigt die Natur in ihrer Gewalttätigkeit und Schroffheit, die in dieser Unmittelbarkeit bis dahin nicht dargestellt wurde. Eindringliche Studien gingen den unzähligen Ansichten von Fjorden, Wasserfällen und Hochplateaus voraus. Dahls genaue und sichere Darstellungsweise sowie seine Themenwahl prägten bis in die 1890er Jahre hinein die skandinavische Landschaftsmalerei. Von dieser sei noch der bemerkenswerte »Waldsee« des in Düsseldorf ausgebildeten Norwegers Lars Hertevig von 1865 genannt  (Oslo, Nasjonalgalleriet).

    Eine völlig andere, zunächst weit populärere Richtung der romantischen Naturdarstellung vertrat Adrian Ludwig Richter, 1836–77 Leiter der Landschaftsklasse an der Dresdener Akademie. Richter ist heute vor allem für seine volkstümlichen Zeichnungen und Illustrationen von Märchen-, Erziehungs- und deutschen Reisebüchern bekannt. Das im Vergleich zu seinem graphischen und zeichnerischen Werk verhältnismässig dünne malerische Œuvre ist jedoch von ebenso grosser Bedeutung. Die »Überfahrt am Schreckenstein« (Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister) über die Elbe bei Aussig hat er um 1837 in mehreren Varianten gemalt. Richter integriert in die nur wenig überhöhte Naturdarstellung eine fiktive romantische Situation, die in den zahlreichen, mit Stahlstichen illustrierten Büchern des »Romantischen Deutschlands« in immer neuen Varianten wiederholt werden sollte. Die Reisegruppe setzt sich aus dem Ruderer, einem Harfenspieler und verschiedenen, in romantische Betrachtungen unterschiedlicher Tiefe versunkenen Mitfahrern zusammen. Das Bild zeigt die Wirkungen überwältigender Naturschauspiele auf den Menschen und zugleich die Anfänge des modernen Tourismus. 

Französische Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts  

Die Durchsetzung einer reinen Freilichtmalerei (»Plein-air-Malerei«) vollzog sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich. Die zahlreichen Skizzen und Studien, die in den Jahrhunderten zuvor einer in Öl gemalten Landschaft vorausgegangen waren, wurden somit überflüssig. Natureindrücke wurden unmittelbar auf die Leinwand umgesetzt. Entscheidend an dieser Entwicklung beteiligt war die »Gruppe von Barbizon«, die diesen Namen von einem Dorf am Rande des Forêt de Fountainebleau bei Paris übernommen hatten. Dort kam seit den 1830er Jahren in den Sommermonaten eine immer grösser werdende Gruppe an Künstlern zusammen, die sich, mit wenigen Ausnahmen, ausschliesslich der Landschaftsmalerei widmete – die erste Künstlerkolonie im Sinne der klassischen Moderne. Zur ersten Generation gehörten Theodor Rousseau und Narcisse Diaz de la Peña, die hauptsächlich Ansichten des Waldes von Fountaine-bleau malten. Von François Millet stammen zahlreiche Bilder arbeitender Bauern, die weder idealisiert, noch anklagend in ihrem Elend gezeigt werden. Ebenfalls zur Gruppe von Barbizon ist Camille Corot zu rechnen. Vor allem sein Spätwerk nach 1850 sicherte ihm bis heute einen Platz unter den bekanntesten und einflussreichsten Landschaftsmalern. Als Beispiel sei sein um 1860 entstandener »Weg nach Sèvres« genannt (Paris, Musée du Louvre). Die sehr schlichte Bildkomposition wird bestimmt von dem breiten Weg in der Mitte, auf dem sich eine Bauersfrau sowie ein Reiter vom Betrachter entfernen, ihm also den Rücken zukehren. Rechts begrenzt ein Baum den Bildausschnitt, links wird im Hintergrund eine weite Landschaft sichtbar, die langen Schatten zeigen die nachmittägliche  Entstehungszeit des Bildes an. Die intime Atmosphäre dieser an sich belanglosen Landschaft und der ruhige Bildaufbau erzeugen eine träumerische Stimmung absoluter Stille, zu der auch die abgewandten Gesichter der Menschen passen.

    Ebenfalls dem Kreise der Babizon-Maler entstammte Charles-François Daubigny, der sich später nach Pontoise nördlich von Paris zurückzog und in unendlichen Variationen Uferpartien des Flusses Oise malte. Dort besass er ein Wohnboot, auf dem viele seiner Bilder entstanden. Der »Sonnenuntergang an der Oise« von 1865 (Paris, Musée du Louvre) gibt eine bestimmte Stunde, einen stimmungsvollen Himmelseffekt in einer absolut unspektakulären Landschaft wieder. Daubigny wurde und wird als grosser »Lyriker« unter den Schülern von Barbizon angesehen. Vincent van Gogh etwa schätzte ihn sehr und malte seinen Garten in Pontoise.

    Wichtige Motive der französischen Freilichtmalerei waren Strände und Küstenpartien. Eugène Boudin, der vor allem als Lehrer Monets bekannt ist, dokumentierte die aufkommende Badekultur am Atlantik. »Der Strand von Trouville« von 1864 (Washington (D.C.), National Gallery of Art) ist eines seiner unzähligen Bilder, die an diesem Orte entstanden. Es zeigt einen Sommernachmittag am Strand, einzelne Gruppen sitzen zusammen, teilweise unter Sonnenschirmen, rechts ist die leichte Badearchitektur des mittleren 19. Jahrhunderts zu erkennen. Auffallend gross ist der Abstand des Malers zu den dargestellten Personen. Es geht Boudin um die Stimmung, die sich im typischen Strandlicht und der vagen Angabe von Urlaubern zeigt. Er gilt als wichtigster Vorläufer der Impressionisten. Auch Gustave Courbet, einer der energischsten und auch gewalttätigsten Verfechter der Naturmalerei, schuf unzählige Ansichten der Küste. Besonders »Die Küste von Etretat« nahe der Seine- Mündung in den Atlantik malte er mehrfach, u.a. 1870 (Paris, Musée d'Orsay). Das Motiv sollte auch bei Monet eine grosse Rolle spielen und hat zu einem bis heute anhaltenen Besucherstrom nach Etretat geführt, der angesichts der Tatsache, dass für das Betreten des Strandes, also für den Blick auf den Felsen von der Stelle aus, an der Courbet und Monet gestanden haben, Eintritt erhoben wird, noch weit kuriosere Blüten treibt als der Pilgerstrom zu den von C. D. Friedrich gemalten Kreidefelsen auf Rügen.

    In die vorliegende Ausgabe sind Bilder der Impressionisten, vor allem von Claude Monet, Alfred Sisley, Camille Pissaro und Auguste Renoir, in grosser Zahl aufgenommen worden. Ihr Bekanntheitsgrad übertrifft sicher den aller anderen hier vertretenen Maler, ein einzelnes Werk hervorzuheben erscheint daher überflüssig. Einige allgemeine Bemerkungen müssen genügen: Besonders an Monet, dem bedeutendsten unter den Genannten, dessen theoretische Durchdringung seiner Malweise bekannt ist, zeigt sich die Intention der Impressionisten (ursprünglich eine abschätzig gemeinte Bezeichnung). Es ging ihnen um die sich stets verändernden Lichtreflexe auf den sich zunehmend auflösenden Gegenständen. Monet malte die Kathedrale von Rouen aus einem Hotelzimmer sowie einen Heuhaufen mehr als dreissig Mal vom selben Standpunkt aus, arbeitete jeweils nur wenige Stunden an einem Bild, bis sich die Lichtverhältnisse verändert hatten. Dann nahm er das am Vortag zur gleichen Stunde begonnene Bild hervor und malte an diesem weiter. Monet wollte stets den ersten Eindruck wiedergeben, den die Lichtreflexionen in ihm hervorriefen, und sein Wissen um die speziellen Eigenschaften der Gegenstände möglichst ausschalten. Topographische Angaben sind daher fast bedeutungslos geworden, die realen Landschaften sind nur die Folie, auf der sich der Hauptprotagonist der Bilder – das Licht – entfaltet.

    Natürlich fehlen in der Sammlung auch nicht Bilder von Vincent van Gogh und Paul Gauguin, die sich mit unterschiedlichen Intentionen über die Landschaften der Impressionisten hinwegsetzten und sie, stark vereinfacht gesehen, mit symbolischen oder emotionalisierten Inhalten füllten. Gauguins »Bretonisches Dorf im Schnee« (Göteborg, Konstmuseum) entstand während des zweiten Aufenthaltes des Malers in der Bretagne im Jahr 1888. Es zeigt das für ihn zunehmend typische Prinzip der formalen Vereinfachung und Abstraktion von Häusern, Hügeln, Bäumen und Menschen. Den klobigen, flächigen Formen, die auch seine späteren Tahihi-Bilder auszeichnen sollten, entsprechen äusserst reduzierte, erdige Farben. Der Urzustand, der in solchen Bildern beschworen wird, hat jedoch nichts mit der vorzufindenden Natur zu tun. Gauguin kehrte sich radikal von der noch naturalistischen Malweise der Impressionisten ab. Die gesehene Natur durfte nicht in ihren Äusserlichkeiten erfasst und gemalt werden. Vielmehr mussten in den Bildern die visuellen Eindrücke von seinem Geist geordnet und neu zusammengestellt werden – Gauguin nannte diesen Prozess »Synthetismus«.

    Einen völlig anderen Charakter haben die Landschaften Paul Cézannes. Wie Gauguin wandte sich auch er, dessen Lehrer Pissaro war, von der impressionistischen Augenblicksmalerei ab. Cézannes strenge Darstellungsprinzipien waren: Landschaften von jedem intellektuellen und emotionalen Beiwerk zu befreien, sie sollten ein »reines« Sehen verkörpern; zudem war er der Auffassung, Umrisslinien bildete erst das menschliche Auge, während die Natur aus Flächen bestünde, an deren Rändern diese Linien erst entstünden. Cézannes Bilder einer in verschiedene Farbflächen aufgeteilten Natur ohne jede Stimmung sollten von unüberschätzbarer Bedeutung für die hier nicht aufgenommene Landschaftsmalerei des 20. Jahrhunderts werden. 

Russische Landschaftsmalerei des späten 19. Jahrhunderts

Eine eigenes Kapitel bilden die russischen Landschaftsmaler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Oft in Paris oder Düsseldorf ausgebildet, verarbeiteten sie immer auch die neuesten Entwicklungen des Westens, ringen aber zunehmend um eine sehr eigenständige Auffassung. Einige ihrer wichtigsten Vertreter wurden hier aufgenommen. Zu der ersten Generation gehört Iwan K. Aiwasowskij, einer der frühen und einflussreichsten Maler einer intensiv wahrgenommenen russischen Natur. Sein Gemälde »Die See« von 1864 (Feodosia, Ajvazovskij-Galerie) ist eines seiner rund 4000 Bilder, die stets das Meer mit seinen unterschiedlichen Effekten thematisieren. Dramatische, Kontrast reiche Farben unterstreichen die Schwere und den Ernst der Naturgewalt. Das am Horizont verblassende Sonnenlicht ist von einer fast aggressiven Symbolik – ein Charakteristikum der russischen Landschaften der kommenden Jahrzehnte.

    Ein wichtiges Ereignis für die russische Kunstgeschichte war die Gründung der »Genossenschaft für Wanderausstellungen« im Jahre 1870 in St. Petersburg. Die auch kurz »Wanderer« genannte Gruppe richtete sich z. T. gegen die akademische Malerei und versuchte, durch Wanderausstellungen auch ausserhalb der Zentren Moskau und St. Petersburg (u.a. in Kiew, Charkow, Riga, Odessa) ein breiteres Publikum zu erreichen und dadurch die einheimische Kunst zu fördern. Einen wichtigen Mäzen hatte die zunächst besonders von dem Porträt- und Genremaler Iwan N. Kramskoi, später auch von Ilja Repin bestimmte Gruppe in dem berühmten Sammler Pawel M. Tretjakow, dessen Besitz den Grundstock für die später nach ihm benannte Moskauer Galerie bildete. Einen hohen Rang nahm die Darstellung der heimatlichen Landschaft ein. Die wichtigsten Vertreter einer lyrisch geprägten, schwermütigen Landschaftsmalerei der 1870er und 1880er Jahre waren Alexej K. Sawrassow und Fjodor A. Wassiljew. Das Gemälde »Tauwetter« des sehr früh verstorbenen Wassiljew (St. Petersburg, Staatliches Russisches Museum) erzielte des ersten Preis auf der ersten Ausstellung der »Wanderer« im Jahre 1871. Das »lyrische Stimmungsbild« erregte weithin Aufsehen durch die gewaltige Eindringlichkeit der geschilderten Naturstimmung: Es herrscht trübes Märzlicht, das auf den vergehenden Schnee und die tauenden Wagenspuren fällt. Krähen und eine einsame Bäuerin sind symbolische Zeichen der Auflösung einer Jahreszeit. Solche effektvollen Landschaften lehnte der gleichaltrige Iwan I. Schischkin, der an der St. Petersburger Akademie lehrte, ab. Seine Bilder, etwa »Fernsicht, Fluss Kaman« von 1884   (Moskau, Tretjakow-Galerie), sind von einer nüchternen Monumentalität. Diese beiden Grundrichtungen – »lyrische Stimmungslandschaften« und »naturalistischere« Darstellungen – bestimmten die russische Malerei bis über die Jahrhundertwende hinaus.

Ein wichtiger Vertreter der stimmungsvollen Landschaftsmalerei ist Isaak I. Lewitan, ein Schüler Sawrassows an der Moskauer Akademie. Er unternahm ausgedehnte Wanderungen durch seine Heimat und schuf parabelhafte Bilder von starker symbolischer Kraft. Ein Beispiel ist das 1894 entstandene Gemälde »Über der ewigen Ruhe«  (Moskau, Tretjakow-Galerie). Es zeigt eine kleine Friedhofskapelle zwischen Holzkreuzen, auf einem Hügel am Rande eines silbrigen Sees, unter einem Abendhimmel. Einen eindrucksvollen Schlusspunkt unserer Sammlung bilden einige Bilder aus dem Spätwerk des Archip I. Kuindshi, vor allem seine »Mondflecken im Wald, Winter« von 1905  (St. Petersburg, Staatliches Russisches Museum). Es sind zunehmend irrationale Bilder, subjektive Seelenlandschaften, die eine bestimmte Stimmung in fast monströser Weise ausbauen. Mit ihrem überwältigenden symbolischen Gehalt sind sie mit keinen Werken des westlichen Europas vergleichbar. Allenfalls der norwegische Maler Harald Sohlberg und die Finnen Albert Edelvelt, Eero Järnefelt und auch zum Teil der bekannte Akseli Gallen-Kallela haben um 1900 vergleichbare Landschaften geschaffen.

 

Weiterführende Literatur

  • John Barrell, The Dark Side of the Landscape. The Rural Poor in English Painting 1730–1840, Cambridge 1980.

  • Erich Steingräber, Zweitausend Jahre europäische Landschaftsmalerei, München 1985.

  • Oskar Bätschmann, Nicolas Poussin: Landschaft mit Pyramus und Thisbe. Das Liebesunglück und die Grenzen der Malerei, Frankfurt am Main 1987.

  • Reindert L. Falkenburg, Joachim Patinir. Landscape as an Image of the Pilgrimage of Life, Amsterdam und Philadelphia 1988.

  • Sheila McTighe, Nicolas Poussin's Landscape Allegories, Cambridge 1996.

  • Herren der Meere – Meister der Kunst. Das holländische Seebild im 17. Jahrhundert, hg. von Jeroen Giltaij und Jan Kelch, Ausstellungskatalog Rotterdam und Berlin 1996/97.

  • Josephine Walpole, Art and Artists of the Norwich School, Woodbridge 1997.

  • Maike Christine Post, Studien zu John Constables English Landscape Scenery, Aachen 1998.

  • Landschaft als Kosmos der Seele. Malerei des nordischen Symbolismus bis Munch 1800–1910, hg. von Götz Czymmek u.a., Ausstellungskatalog Köln 1998.

  • Natuur en landschap in de Nederlandse Kunst, hg. von Reindert Falkenburg und Jan de Jong, Ausstellungskatalog Zwolle 1998.

  • Andreas Burmester, Christoph Heilmann und Michael F. Zimmermann (Hg.), Barbizon. Malerei der Natur – Natur der Malerei, München 1999.

  • Norbert Schneider, Geschichte der Landschaftsmalerei: Vom Spätmittelalter bis zur Romantik, Darmstadt 1999

  • Nils Büttner, Die Erfindung der Landschaft. Kosmographie und Landschaftskunst im Zeitalter Bruegels, Göttingen 2000

  • Walter Samuel Gibson, Pleasant Places. The Rustic Landscape from Bruegel to Ruisdael, Berkeley, California 2000

  • Die flämische Landschaft 1520–1700, hg. von Klaus Ertz u.a., Ausstellungskatalog Essen und Wien 2003/04.

 

Einführungstext:© 2004 Tobias Kunz

Inhalt:© 2004 The Yorck Project Gesellschaft für Bildarchivierung mbH, Berlin

Software:© 2004 Directmedia Publishing GmbH, Berlin

ISBN:3-936122-54-7


 

             

 

© Canandanann 20-09-2006 16:58:03